Nachdem ich im vergangenen Herbst so viel Spaß hatte beim Absolvieren des Mindelheimer Klettersteigs, stand für mich fest, daß ich bestimmt bald wieder in die Berge aufbrechen würde, um ähnliche Aktivitäten zu unternehmen. Die Region um den Ortler herum kannte ich schon ein wenig von der Transalp-Tour 2000, doch damals kippte das Wetter gerade, so daß ich das berühmte Dreigestirn Königsspitze, Monte Zebru und Ortler nicht wirklich genießen konnte. Zusammen mit Tobi, der in den Jahren zuvor schon ähnliche Hüttentouren unternommen hatte, wurde als Reiseziel Trafoi und als Zeitraum die erste Septemberwoche festgesetzt. Mit Hilfe von Landkarte und Wanderführer wurde schnell eine lohnenswerte Rundtour durch den Nationalpark Stilfser Joch entworfen, die uns, fast immer im Angesicht des alles überragenden Ortlers, durch eine der schönsten Ecken Südtirols führen sollte. Somit stand dem Vorhaben nichts mehr im Wege, lediglich das Wetter mußte auf unserer Seite sein, denn es war angedacht die Grenze von 3500 m zu knacken! |
1. Tag: | Trafoi - Alpinschule - Rif. Borletti |
Stats: | 2:00 h (19.00 - 21.00) - ca. +650 hm |
Die Anreise mit dem Auto war stressiger als gedacht, da sich die
Passage über den Fernpaß und entlang des Reschensees
aufgrund dichten Verkehrs und zahlreicher LKW, Busse etc. ziemlich
zog. Insgesamt haben wir von Frankfurt aus knapp 9 h benötigt,
bis wir endlich Trafoi erreichten. Entsprechend fertig nach der
langen Fahrerei war es gut, dass jetzt nur knapp 2 h leichtes Einlaufen
auf dem Programm standen. Doch leider war das Wetter nicht auf unserer
Seite, denn es regnete "fröhlich" vor sich hin. Nun
ja, kein idealer Auftakt, aber was soll man machen
... Ich dachte noch bei mir, dass wir bei dem Wetter wohl sowieso
die einzigen "Verrückten" sein würden, die im
Rif. Borletti übernachten wollten und schon ging es feuchtfröhlich
um 19.00 Richtung Rifugio los, wo ich die Tage zuvor telefonisch
zwei Schlafplätze reserviert hatte. Natürlich war es aufgrund
der langen Anreise unvermeidlich, dass wir erst im Dunkeln die Hütte
erreichen würden, aber zumindest fanden wir nach ein paar Minuten
Suchen den Einstieg zum Bergpfad, der sich steil Richtung Unterkunft
herauf schraubte. Essen und Trinken wurde aufgrund der fortgeschrittenen
Zeit erst mal vertagt bzw. es wurde während des Laufens konsumiert.
Tja, letztlich ist ab 2000 m etwa der noch immer andauernde Regen
in Schneefall übergegangen, wodurch es zwar nicht mehr ganz
so naß war (ich war sowieso trotz Regenklamotten bis zur Unterhose
klatschnaß und verschwitzt), aber dafür kam ein frischer
Wind auf, der mich ganz schön frösteln ließ. Gut,
unter normalen Voraussetzungen hätte ich mich auch noch entsprechend
umgezogen, da ich unter der Regenjacke nur ein T-Shirt hatte, aber
ich wollte so schnell wie möglich die Hütte erreichen.
Nach einigen recht unangenehmen Minuten, in denen ich ziemlich bibberte,
konnte ich dann endlich schemenhaft die Hütte ausmachen, die
sich unscharf aus dem Nebel abzeichnete. Wir schleppten uns also
die letzten Meter zur Hütte rauf und ich stolperte als erster
fröstelnd zur Tür herein. Glücklicherweise gab es jemanden beim Hüttenpersonal, der englisch konnte und nicht nur italienisch, und somit war der Abend gerettet. Der junge Mann zeigte uns unser Mehrbett-Zimmer, das wir natürlich ganz allein hatten und offenbarte uns dann auch gleich, dass es keine Dusche gäbe und auch keinen Strom auf dem Zimmer ... Etwas abenteuerlicher, als ich es erwartet hatte, aber egal - es sollte zumindest noch etwas zu essen geben. Nach einer Klamotten-Tauschaktion "naß gegen trocken" ging es dann zügig runter zum Essen, wo uns leckeres Schnitzel mit Bratkartoffeln, Salat, Ei und sogar ein wenig Kuchen erwartet. Dazu ein kühles Bier ... So wurde es doch noch ein lustiger Abend, bei dem wir beide die urige Atmosphäre auf dem Rif. Borletti genossen. Nachts habe ich dann immer noch etwas gefroren trotz zwei Decken, was vermutlich daran lag, dass das Fenster nicht gerade gut isoliert war, keine Heizung vorhanden war und ich mit kurzer Hose und T-Shirt wohl wieder etwas zu wenig an hatte. Naja, für die restlichen Übernachtungen war ich jetzt "gewarnt" :-) |
2. Tag: | Rif. Borletti - Tabarettajoch - Rif. Payer - Bärenjoch - Tabarettahütte - Rif. K2 - Hintergrathütte |
Stats: | 8:30 h (09.00 - 17.30) - ca. +1500 hm |
Der erste "richtige" Wandertag war zunächst einmal
davon geprägt, dass uns ein Blick aus dem Fenster verriet,
dass es über Nacht weiter geschneit hatte. Als wir dann nach
einem ordentlichen Frühstück warm eingepackt vor die Tür
getreten sind, zeigte sich, dass tatsächlich die ganze Gegend
um uns herum weiß war. Selbst das Stilfser
Joch war ziemlich im Schnee versunken. Der junge Mann auf der
Hütte hatte uns beim Frühstück noch gefragt, wo wir
denn heute hin wollten. Als wir ihm offenbart hatten, dass wir auf
über 3000 m wollten, hat er uns "dezent" darauf hingewiesen,
dass dort oben einiges an Schnee liegen würde und viele der Markierungen
nicht mehr sichtbar sein würden. Naja, wir entschieden uns trotz
allem den geplanten Weg zu gehen - irgendwie würden wir schon
den Weg durch den Schnee finden. Dass es nicht
immer ganz einfach war, zeigt folgendes Foto
:-) Der Weg zum Tabarettajoch war ab etwa 2400 m komplett im Schnee
versunken, aber ich orientierte mich so gut es ging mit der Karte
und markanten Punkten im Gelände, interpretierte mir diverse
Wanderwege, wo in den meisten Fällen sogar welche waren (mitten
durch die Schneefelder ...) und zeitweilig entdeckte man auch wieder
ein Schild, ein Steinmandl oder eine Markierung, so dass wir tatsächlich
bis zum Tabarettajoch kamen. Der restliche Weg zum
Rif. Payer war dann von der Richtung her klar, nur das ganze als "Weg"
zu bezeichnen, naja, das war zeitweilig schon übertrieben. Die
Pfadspur führte auf einem Berggrat entlang zur Hütte, der
richtig winterlich verschneit war,
so dass es manchmal doch sehr anstrengend war, überhaupt noch
voran zu kommen. Wir kämpften beide ganz schön in den Schneemassen,
doch wir wollten es ja nicht anders :-) Ich hatte leider noch das
Handicap, im Gegensatz zu Tobi keine (!) Goretex-Schuhe zu besitzen,
was mir bei den Bedingungen natürlich nasse Socken und Schuhe
mit eiskalten Füßen bescherte ... Letztlich erreichten wir dann doch das Rif. Payer, in dem wir uns an einer Apfelschorle und ein paar Scheiben Schwarzbrot mit Wurst gelabt haben. Warm wurde mir leider nicht dabei, ich saß ununterbrochen zitternd am Tisch, da in der Hütte anscheinend nicht geheizt wurde und meine Füße doch ziemlich unterkühlt waren. Unser ursprünglicher Plan, noch einen Abstecher auf die Tabarettaspitze zu machen, wurde von uns beiden einstimmig verworfen, denn draußen war es nach wie vor kalt und neblig und es schneite sogar leicht. Wir entschieden uns deshalb für den direkten Weitermarsch über das Bärenjoch zur Tabarettahütte. Dieser Wegabschnitt war zwar auch ziemlich schneereich, aber ab dem Tabarettajoch, zu dem wir wieder zurück mußten, war der Weg erstaunlicherweise ganz gut zu laufen. Der Bergpfad schlängelte sich abwechslungsreich immer am Hang entlang - mal steiler und mal wieder etwas flacher - was uns beiden sehr viel Spaß machte. An der Tabarettahütte stand natürlich die nächste Einkehr an, und dort gab es auch eine Heizung, wodurch meine Lebensgeister wieder ein wenig geweckt wurden. Zwar waren die Schuhe immer noch naß, aber sonst wurde mir langsam wieder etwas wärmer, worüber ich nicht ganz unglücklich war :-) Da es noch halbwegs früh am Nachmittag war, beschlossen wir noch bis zur Hintergrathütte weiter zu marschieren, um dort dann zu übernachten. Der Abstieg Richtung Rif. K2 war ziemlich unspektakulär und die total triste Skipiste dort sorgte dafür, dass wir keine unnötige Zeit verloren und zügig weitergingen bis zur Hintergrathütte. Dort quartierten wir uns dann in ein Mehrbett-Zimmer mit zwei Bergkameraden aus Sachsen ein. Eine Riesenportion leckere Spaghetti und zwei Bierchen sorgten beim Abendessen für den nötigen Kalorienausgleich und so ging dieser Tag ganz gemütlich zu Ende. Ein Highlight an diesem Tag oder vielmehr an dieser Hütte gab es aber noch: Der Waschraum und die Toiletten waren draußen ... Mit meinen Badelatschen durch den Schnee zu tappen wäre nicht gerade die beste Lösung gewesen, doch leider waren ja meine Schuhe total durchnäßt, so dass ich mit meinen neuen trockenen Socken nicht unbedingt in diese reinschlüpfen wollte. Letztlich habe ich mir dann noch mal kalte Füße geholt, da ich dann barfuß in die "angenehm kühlen" Wanderschuhe gestiegen bin um dann den Waschraum aufzusuchen :-) Ein Erlebnis für sich das Ganze, denn ich bin insgesamt vier mal aus der Hütte raus und wieder rein, da ich den Waschraum nicht gefunden habe ... Beim dritten Mal (zwischenzeitlich hatte ich erst die Sachsen und dann doch die Hüttenwirtin befragt) war ich dann erfolgreich, denn die massive Eisentür auf der Rückseite der Hütte, vor der ich bei den ersten Versuchen schon mal stand, war die richtige - man mußte nur ganz fest dran ziehen, da sie leicht gerostet oder eingefroren war. Innen war es dunkel, Licht war Mangelware, aber wenn man die Tür offen ließ, schien ein wenig das Mondlicht herein. Dafür pfiff aber auch ein kräftiger Wind durch die Tür ... Tja, letztlich habe ich mich meinem Schicksal gefügt, denn ich wollte nicht ganz ungewaschen ins Bett gehen. Doch da es immer noch zu dunkel war, bin ich noch mal in die Hütte und habe meine Mini-MagLite geholt. Die habe ich dann in eines der beiden Waschbecken gelegt, wodurch der kleine Waschraum ein wenig erhellt war und am anderen Waschbecken habe ich dann unter eiskaltem Wasser so schnell wie selten zuvor meine Haare gewaschen und mich - in kurzer Hose und meinen nassen Schuhen da stehend - von oben bis unten mit dem "erfrischen Naß" abgewaschen. Alles besser als nichts :-) Nach der Aktion ging es dann wieder zügig in die Hütte und zurück in den Essensraum, wo mich Tobi, die zwei Sachsen und eine größere Gruppe von Holländern schon "sehnsüchtig" erwartete ("Ja lebst Du also doch noch?!") ... Eine Stunde später ging es dann ins Bett, irgendwie war der Tag doch recht anstrengend gewesen nach dem Gestapfe im Tiefschnee am frühen Morgen. Das Wetter war zwar an dem Tag insgesamt nicht sonderlich gut, aber Anfang September im Schnee zu stapfen wie sonst nur im Winter war auch ein schönes Erlebnis. Und es sollte die kommenden Tage noch so weitergehen ... |
3. Tag: | Hintergrathütte - Mittelstation - Schaubachhütte - Madritschjoch - Hintere Schöntaufspitze - Schaubachhütte |
Stats: | 8:30 h (08.30 - 17.00) - ca. +1200 hm |
Richtig erholsam war die Nacht in der Hintergrathütte nicht,
ich war mehrfach wach und dann immer wieder einzuschlafen, war bei
den Schnarchgeräuschen im Zimmer nicht gerade leicht ... So
bin ich dann noch vor dem Frühstück raus vor die Hütte
gegangen um mir ein Bild vom Wetter zu machen, denn ein erster verschlafener
Blick aus dem Zimmerfenster war schon recht vielversprechend. Also
ging es wieder mal barfuß in die - leider noch immer - nassen
Schuhe und raus vor die Hütte. Dort erlebte ich einen wunderschönen
Tagesbeginn, denn die Sonne ging
ganz langsam auf und tauchte die umliegenden Gipfel in ein faszinierendes
Licht. Bevor mir und vor allem meinen Füßen aber zu kalt
wurde, bin ich wieder zurück in die warme Hütte und habe
dann mit Tobi gefrühstückt. Als
wir endlich gegen 08.30 losgekommen sind, war draußen schon
das schönste Wetter - die Sonne schien recht intensiv auf die
idyllische Winterlandschaft und bescherte uns tolle Ausblicke zur
Königspitze und zum Ortler.
Hoch motiviert aufgrund des super Wetters zogen wir zügigen
Schritts weiter und genossen dabei den Abstieg zur Mittelstation
der Seilbahn, die zur Schaubachhütte führt. Dabei habe
ich es mir auch nicht nehmen lassen im kurzärmeligen Dress
zu marschieren um noch mal ein bißchen Sonne zu tanken. Obwohl
es von der Hintergrathütte auch einen direkten Weg zur Schaubachhütte
gegeben hätte, entschieden wir uns für den einfachen Weg
über die Mittelstation und dann auf breitem Forstweg bis zur
Hütte. Der direkte Weg, der am Fuße des Suldenferners
verlief, war zwar deutlich kürzer, aber laut Wanderführer
angeblich nicht markiert oder gespurt und somit
sehr zeitaufwendig. Da wir uns heute auf keine großen Experimente
einlassen wollten, stiegen wir also zur Mittelstation auf knapp
2200 m ab und erfreuten uns an den schönen Ausblicken übers
Suldental und den Suldenbach,
den wir kurz vor der Mittelstation auf einer alten Holzbrücke
überquerten. Die breite Schotterpiste, die weiter bis zur Schaubachhütte führt, war zwar sehr unspektakulär bis auf die traumhafte Berglandschaft ringsherum, aber ich fand es interessant diesen Weg auch mal zu Fuß zu machen. Im Jahr zuvor bei meiner Transalp-Tour hatte ich bei diesem Aufstieg wirklich hart gekämpft und alles gegeben hatte, um bis zur Schaubachhütte im Sattel zu bleiben. Dieses Mal war der Weg gaaanz locker :-) An der Hütte angekommen haben wir uns dann direkt für die Übernachtung angemeldet und unsere Rucksäcke und überflüssige Ausrüstung im Trockenraum gelassen, um noch den Aufstieg zum Madritschjoch und zur Hinteren Schöntaufspitze in Angriff zu nehmen. Vorher fand aber noch unser "Mittagessen" (Schwarzbrot mit Wurst und Käse sowie ein Corny) und Relaxen in der Sonne statt. Einfach toll bei dem Wetter und der Landschaft nur faul im Liegestuhl zu liegen! Nach dieser Entspannungsphase haben wir uns schließlich zusammen mit ziemlich vielen "Turnschuh-Touristen", die mit der Seilbahn von Sulden zur Schaubachhütte gelangt waren, in Richtung Madritschjoch in Marsch gesetzt. Den Weg bis dorthin kannte ich auch schon aus dem Vorjahr, damals lagen jedoch im Gegensatz zu diesem Mal nur wenige Schneereste am Joch selbst. Schnell hatten wir die Massen hinter uns gelassen und konnten weitestgehend ungestört den Aufstieg genießen. Am Madritschjoch erwartete uns ein unangenehm kühler Wind, so dass wir nur geschwind die Aussicht genossen haben und dann direkt zum höchsten Punkt für den Tag, der Hinteren Schöntaufspitze, aufgebrochen sind. Auf dem Weg, der zum Teil über rutschige Felsplatten ging und auch noch ein wenig verschneit war, kamen uns einige Wanderer entgegen, aber den finalen Aufstieg und das Gipfelglück hatten wir zumindest 10 Minuten nur für uns. Das 360°-Panorama war einfach nur überwältigend - so eine tolle Aussicht hatte ich selten zuvor erlebt. Besonders beeindruckend war neben dem berühmten Dreigestirn der Tiefblick über das Suldental und das "Vorland". Sowohl Tobi als auch ich genossen die faszinierende Bergwelt in vollen Zügen! Nach dem obligatorischen Eintrag ins Gipfelbuch machten wir uns schließlich wieder an den Abstieg, denn langsam wurde es trotz allen Klamotten am Körper kühler. Der Abstieg war aus meiner Sicht sehr entspannend, spätestens ab dem Madritschjoch konnte man unbeschwert bergab tappen, ohne sich große Gedanken über den Weg machen zu müssen, denn der Schnee war meistens griffig und falsch laufen konnte man auch nicht, es ging einfach auf der Skipiste zurück zur Schaubachhütte. Da es erst gegen 17.00 war und die Sonne noch recht hoch stand, haben wir dann noch knapp eine Stunde vor der Hütte mit Weizenbier und Relaxen (Tobi) bzw. Postkarten schreiben, Weizenbier nippen und Relaxen (ich) verbracht. Einfach super! Gegen 18.00 folgte eine erfreuliche Überraschung - das Abendessen. Wir hatten Halbpension bestellt und es gab ein vorzügliches Drei-Gänge-Menü bestehend aus Spaghetti als Vorspeise, Fleisch mit Kroketten und Gemüse als Hauptgang sowie Mousse au Chocolat zum Schluß. Hmmm! Wohl gesättigt habe ich dann noch für 5000 Lire eine warme Dusche genommen, während Tobi in unserem Zimmer sein Glück mit Wasser, Seife und Waschlappen probiert hat. Nach diesem ereignisreichen Tag ging es recht zeitig ins Bett und ich habe tatsächlich mal erholsam geschlafen. |
4. Tag: | Schaubachhütte - Innersulden - Düsseldorfer Hütte - Tschenglser Hochwand - Düsseldorfer Hütte |
Stats: | 11:00 h (08.55 - 19.55) - ca. +1650 hm |
Für diesen Tag war zunächst nur der Marsch zur Düsseldorfer
Hütte angesetzt, doch letztlich haben wir das Programm
kräftig verlängert, indem wir uns noch bis zur Tschenglser
Hochwand und zurück durchgekämpft haben. Doch immer
der Reihe nach ... Das reichhaltige Frühstücksbuffet
auf der Schaubachhütte war wirklich vorzüglich, so
dass wir gut gestärkt aufbrechen konnten. Der Abstieg ins
Suldental entlang der Seilbahn war schnell geschafft, so dass
wir uns noch die Zeit nahmen um in Sulden das "Reinhold
Messner Kuriositäten-Museum" zu besichtigen. Außerdem
nutzten wir die Gelegenheit um ein paar Getränke und eine
Kleinigkeit zu Essen im Supermarkt zu kaufen, auch wenn wir
dafür einen größeren Umweg in Kauf nehmen mußten,
da sich dieser sehr weit unten im Tal befand (von der Bergstation
in Sulden war es eine gute Stunde Fußmarsch mit Zwischenstopp
im Museum). Doch für ein gutes Tafelwasser läuft man
gerne mal ein Meter mehr! Schließlich ging es wieder zurück
zum Einstieg ins Zaytal, durch das wir dann immer entlang des
rauschenden Bachs zur Düsseldorfer Hütte aufstiegen.
Das Wetter war früh morgens noch einigermaßen sonnig
gewesen, doch inzwischen war es fast nur noch
wolkig und zum Teil auch recht kühl. Nichtsdestotrotz genossen
wir den Weg durch das idyllische Zaytal sehr, denn außer
uns gab es nur ein paar vereinzelte Kühe
und "eine Hand voll" Wanderer - ansonsten war es angenehm
ruhig und wir konnten unbeschwert durch die Natur stiefeln. |
5. Tag: | Düsseldorfer Hütte - Hohe Angelusspitze - Düsseldorfer Hütte |
Stats: | 5:30 h (08.30 - 14.00) - ca. +700 hm |
Schon im Vorfeld der Tour hatten wir geplant an diesem Tag nur
eine kleine Etappe zu laufen. Doch dafür sollte es hoch hinaus
gehen: Wir wollten erst auf die Hohe Angelusspitze steigen, von
dort dann in die knapp 150 hm tiefer gelegene Scharte wieder absteigen
und dann dem Grat folgend (Walterweg) bis zur Vertainspitze gelangen.
Zurück sollte es auf gleiche Route gehen. Nun ja, soviel
zur Theorie ... Bis wir morgens endlich aufbrachen, war es bereits
gegen 8.30, doch wenn es nach mir gegangen wäre,
hätten wir schon früher den Aufstieg begonnen, denn
das Wetter war als wechselhaft angekündigt und nur für
den Vormittag als einigermaßen stabil. Wie auch immer, als
wir die Hütte verließen,
empfing uns ein wenig Sonne und ein blauer, wenn auch wolkenreicher
Himmel. Auffallend war jedoch, dass die Wolken verdammt schnell
über unsere Köpfe hinwegzogen und man sich somit nicht
wirklich sicher sein konnte, dass dieses an sich brauchbare Wetter
dauerhaft Bestand haben würde ... Zügigen Schrittes
machten wir uns also auf den Weg, zunächst auf derselben
Route wie auch schon am Vortag zur Tschenglser Hochwand. Bald
schon verließen wir jedoch den Weg und folgten einer Markierung,
die wir als die laut Wanderführer richtige erachteten ... Die Schwäche unserer Kompass-Karte war ja bereits bekannt, so dass die Orientierung wieder zu einem kleinen Erlebnis für sich wurde, aber es ging schon irgendwie. Tendenziell hatten wir die richtige Richtung eingeschlagen, soviel stand fest. Bald schon waren wir jedoch zu einem Zwischenstopp und einem erneuten Orientieren gezwungen, denn vor uns lag ein Klettersteig, der nach unserer Einschätzung gar nicht dort sein sollte ... Auch der Wanderführer konnte uns in dem Fall nicht weiterhelfen, denn diesen hatten wir "pfiffigerweise" in der Hütte liegen lassen :-) Ich hatte mir den Weg zwar recht gut eingeprägt, aber in "real" deckte sich nicht alles so, wie ich mir das eigentlich gedacht hatte. So begannen wir also den Einstieg in diesen Klettersteig, der uns sicherlich unserem Ziel ein wenig näher bringen würde. Es war nur die Frage, auf welchem Weg und mit welchen Schwierigkeiten verbunden ... Dieser Klettersteig war zu dem am Vortag noch etwas schwieriger, da es sich um einen recht steilen Felsturm handelte, auf den sich der "Weg" treppenartig raufschlängelte. Hier mußten wir jedoch mehr denn je darauf achten, einen festen und vor allem rutschsicheren Stand zu haben, denn ein Fehltritt hätte unter Umständen fatale Konsequenzen haben können. So kämpften wir uns also sehr vorsichtig immer weiter nach oben. Irgendwann mußte es ja auch wieder einfacher werden ... Dass dem nicht wirklich so war, zeigte sich dann, als wir doch schon etwas erschöpft am Ende des steilen Stücks angekommen waren. Wir sahen nun zumindest schon mal die Hohe Angelusspitze vor uns liegen, doch der markierte Weg endete schlagartig. Die einzig erkennbaren Fußspuren, die wir fanden, gingen, soweit wir sie mit den Augen verfolgen konnten, über ein großes Gletscherfeld, was sich bis kurz unterhalb des Gipfels erstreckte. Dass es unter Umständen einen Gletscher zu queren geben würde, war uns schon beim Studium des Wanderführers aufgefallen, doch da stand auch etwas von einem "Normalweg", der wohl den Gletscher auslassen würde. Dieser Weg wäre vermutlich rechts den Grat entlang gegangen, doch augenblicklich lag er wohl irgendwo unter den Schneeresten begraben ... Nach einer kurzen Beratschlagung waren wir uns dann doch einig, dass wir es über den Gletscher entlang der Fußspuren versuchen würden. Geschwind wurden die Grödel ausgepackt und an die Wanderschuhe geschnallt und dann konnte es losgehen. Ich hatte den Vortritt und im sicheren Abstand folgte Tobi mir nach. Ganz behutsam setzte ich einen Fuß vor den anderen und versuchte Halt zu finden im tiefen Schnee. Aufgrund der Höhe (etwa 3400 m) fiel das Bergaufgehen schon etwas schwer, so dass ich nur langsam vorwärts kam. Da ich mit meinen leichteren Wanderschuhen und den sechszackigen Grödeln für den vorderen Teil des Schuhs zeitweilig mit der Traktion zu kämpfen hatte, ist Tobi mit seinen festen Schuhen und Grödeln für den ganzen Schuh dann schon bald an mir vorbeigezogen, während ich dann behutsam hinterherstapfte. Nach wenigen Minuten hielt er jedoch an, da die Fußspuren durch den zwischenzeitlich aufgekommenen starken Wind zugeweht worden waren und uns somit die Vorgabe fehlte, wo es genau lang geht. Tobi meinte außerdem, dass knapp 50 Meter weiter eine Gletscherspalte sein könnte, für ihn sehe das so aus ... Nun, auf solche Abenteuer wollten wir uns dann doch nicht einlassen, aber hier aufzugeben war auch nicht unser Ding. Denselben Weg zurück zu stapfen erschien uns nicht sonderlich vorteilhaft, also entschieden wir uns für die äußerst vorsichtige Hangquerung (etwa 30 m) bis zu dem rechten Felsgrat, auf dem wir dann noch die letzten paar Meter bis zur Hohen Angelusspitze hinaufkraxeln wollten. Der Gipfel war an sich schon in Reichweite, doch über den Gletscher ohne Markierung bzw. sichtbare Fußspuren wäre vermutlich einfach nur leichtsinnig gewesen. Bei der von uns gewählten Variante hatte ich dann wieder den Vortritt und durfte mich vorsichtig den Hang entlang tasten. Da das Gelände an dieser Stelle nicht so steil war, bestand zumindest keine Gefahr einer Lawine, aber dennoch setzte ich sehr behutsam einen Fuß vor den anderen und stapfte zielstrebig zum "rettenden" Felsgrat. Und tatsächlich, es ging gut! Tobi war kurze Zeit später schon bei mir und dann machten wir auf diesem Felsgrat erst mal eine kurze Verschnaufpause. Der Wind pfiff hier oben inzwischen schon sehr heftig, so dass es langsam aber sicher ungemütlich wurde, doch das Ziel war ja vor Augen. So rafften wir uns also wieder auf (nach einem kurzen "Doping" mit einem Corny) und balancierten über den schneebedeckten Felsgrat. Für einen kurzen Moment lichteten sich die Wolken um uns herum noch mal, so dass wir erkennen konnten, dass es links hinauf zur Hohen Angelusspitze geht und rechts hinab in die Scharte, von der aus wir dann ja zur Vertainspitze wollten. Wir entschieden uns zur besseren Orientierung und zur Einschätzung des vor uns liegenden Geländes für den rechten Weg, so dass wir ein paar Meter bergab stapften um dann weiter zu beratschlagen. Doch das Wetter wurde nun wirklich ungemütlich. Ein heftiger Schneesturm blies uns plötzlich entgegen! Da die Sicht nun wieder alles andere als gut war, kauerten wir uns zunächst hin, um dem "Geflocke" nicht zu viel Angriffsfläche zu bieten. Dich irgendwie wollte das Schneegestöber nicht aufhören ... Nach ein paar frostigen Minuten äußerte dann Tobi den Wunsch umzukehren und auf identischem Weg wieder zurück zur Hütte zu gehen. Ich war zunächst ein wenig enttäuscht, denn in meinen Augen konnte das Schneetreiben nicht mehr lange andauern und dann hätten wir die noch fehlenden etwas mehr als 50 hm bis zur Hohen Angelusspitze sicher noch geschafft. Andererseits war es irgendwo klar, dass ich nicht hier bleiben könne, wenn Tobi zurück wollte. In solch einer Situation ist einzig und allein Teamwork gefragt! Und dafür mußte ich, wenn auch wie gesagt etwas widerwillig und enttäuscht, meine eigenen Interesse zurückstellen. Anders ging es einfach nicht ... So traten wir knapp unterhalb des Gipfels wieder den "strategischen Rückzug" an und versuchten so schnell wie möglich, aber dennoch nichts überstürzend, den Weg zurück bis zum Einstieg in den Klettersteig zu machen. Da uns der Weg entlang der Fußspuren, denen wir über das Gletscherfeld bergauf gefolgt waren, nach wie vor bergab nicht sonderlich zusagte, blieb nur der Grat mit seiner rutschigen Mischung aus Fels und Schnee ... Während wir also immer noch mitten im unangenehm kühlen Schneegestöber langsam abstiegen, sahen wir nur wenige Meter von uns entfernt zwei Personen über das Gletscherfeld neben uns aufsteigen. Ich schaute noch mal hin und tatsächlich - es waren zwei Personen, die mit Seilsicherung im "Gänsemarsch" über den Gletscher marschierten! Sie schauten uns vermutlich genauso irritiert an wie wir sie, aber das ließ sich auf die Entfernung und bei den Sichtverhältnissen nicht beurteilen. Sie hatten offensichtlich den Gipfel fest anvisiert, während es uns dann nur noch nach unten zog ... Vielleicht würden wir die beiden ja später noch mal treffen, denn sie müßten ja auch wieder runter vom Berg. Nachdem ich noch mehrere Male ins Rutschen gekommen bin, war ich dann froh, endlich am oberen Einstieg zum Klettersteig zu stehen. Dort war der Schneesturm dann auch wieder plötzlich wie weggeblasen, so dass ich schon mit dem Gedanken spielte, Tobi noch mal umzustimmen und wenigstens doch noch bis zur Hohen Angelusspitze zu kraxeln, aber ich habe diese Idee dann lieber für behalten. Vermutlich hätte er sich auch nicht mehr umstimmen lassen ... So ging es also den Klettersteig steil bergab. Im oberen Teil war es gar nicht so einfach, denn runter sind Klettersteige doch häufig schwieriger - gerade bei den Wetterbedingungen ... So kamen wir nur langsam voran, doch mit der Zeit wurde uns auch wieder etwas wärmer (mal von meinen eiskalten Füßen abgesehen). Als wir uns dann an einem mit Drahtseil gesicherten Stück behutsam "abseilten", hörte ich plötzlich Stimmen. Ich hörte noch mal genau hin und es waren tatsächlich Stimmen, die von ein paar Metern oberhalb von uns herzukommen schienen. Wir machten also noch mal eine kleine Pause und warteten kurz. Es waren die zwei, die wir auf dem Gletscherfeld gesehen hatten: ein Bergführer und eine Frau, die er im "Schlepptau" hatte. Natürlich habe ich den Bergführer gefragt, ob sie über den Gletscher bis zum Gipfel aufgestiegen seien und er bejahte, dass sie sich wirklich auf diesem Weg bis obenhin gekämpft hätten. Außerdem klärte er uns auch dahingehend auf, dass dieser Gletscher nur eine "harmlose" Spalte hätte und wir durchaus einfach hätten weiter aufsteigen können, ohne die Hangquerung zum Felsgrat zu machen. Im Sommer, meinte er, wäre der Aufstieg nicht sonderlich schwierig, da würden die Wanderer scharenweise den Klettersteig absolvieren und dann über den an sich unschwierigen Felsgrat bis zur Hohen Angelusspitze weitermarschieren. Tja, leider war eben nicht Sommer, obwohl es ja erst Anfang September war ... Wir plauderten noch knapp fünf Minuten, dann zogen die beiden schnellen Schritts weiter, nicht, ohne uns alles Gute für den Abstieg zu wünschen und uns noch mal darauf hinzuweisen, bei den Witterungsbedingungen vorsichtig zu sein. Uns war auch nur noch wichtig, gesund und ohne Risiko den Klettersteig runter zu kommen, so dass wir uns viel Zeit ließen und immer genau darauf achteten, dass wir einen sicheren Tritt fanden. Ich war dennoch fasziniert, wie schnell die beiden "gemsenartig" abstiegen. Nun ja, so gelangten wir also auch wieder unversehrt von diesem Klettersteig hinunter und der restliche Weg bis zurück zur Hütte war dann "Standard" - nichts Spektakuläres mehr nach all den Herausforderungen, die wir bereits beim Aufstieg gemeistert hatten. An der Hütte habe ich mir dann erst mal trockene Sachen angezogen und mir meine Füße mit lauwarmem Wasser ein wenig gewärmt. Den restlichen Nachmittag haben wir dann faulenzend in der Gaststube verbracht. Und während ich wieder in den interessanten ALPIN-Heften blätterte und von neuen Abenteuern träumte, blitzte von draußen die Sonne durchs Fenster - das Wetter war plötzlich wieder schön ... |
6. Tag: | Düsseldorfer Hütte - Hinteres Schöneck - Vorderes Schöneck - Café Waldesruh - Gomagoi - Trafoi |
Stats: | 6:00 h (07.45 - 13.45) - ca. +800 hm |
Wie es sich schon am vergangenen Nachmittag abzeichnete, sollte
es das Wetter am letzten Tag unserer Tour noch einmal richtig
gut mit uns meinen. Wir hatten uns vorgenommen zeitig aufzubrechen,
da sich der Weg bis ins Tal und vor allem dann bis zum meinem
Auto in Gomagoi vermutlich ganz schön in die Länge
ziehen würde, und so waren wir tatsächlich
gegen 07.45 vor der Hütte zum Abmarsch bereit. Zahlreiche
dunkle Wolken und die langsam hervorkommende Sonne sorgten dabei
anfangs noch für eine "endzeitartige"
Stimmung, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis die Sonne
dann am blauen Himmel lachte und uns noch mal einen wunderschönen
Tag bescherte. Hinter der Hütte hatten wir am Vortag ein
Schild entdeckt, auf dem ein Weg zum Schöneck ausgeschildert
war. Unsere Kompass-Karte hatte diesen Weg jedoch nicht eingezeichnet
... Nun ja, die Richtung war okay, denn von dort konnten wir
dann den Abstieg ins Tal machen. Die andere Möglichkeit,
noch mal auf die Tschenglser Hochwand zu kraxeln und dann in
nördlicher Richtung abzusteigen wäre im Hochsommer
mit wenig Schnee wohl drin gewesen, aber da wir um die Schneemassen
am Gipfel wußten und uns der Hüttenwirt mit der Beschreibung
des nördlichen Abstiegs bei den Schneeverhältnissen
und mit vollem Gepäck nicht gerade Hoffnung gemacht hatte,
blieb an sich nur der Weg zum Schöneck. Schließlich
war er ja auch ausgeschildert, also sollte das ja machbar sein. |
Bilanz: | etwa +6500 hm in 6 Tagen (04.09. - 09.09.2001) absolviert |
Stats: | pro Tag durchschnittlich etwa +1085 hm |
Insgesamt haben wir in den paar Tagen so viel gesehen und trotz Schnee und Eis (oder gerade deswegen) viele wunderschöne Stunden in den Bergen verbracht, dass die Rennerei am Ende für mich auch nicht mehr so schlimm war. Zumindest war der letzte Tourentag noch mal ein echtes Highlight der Ortlertour. Und allen, die auch mal eine unvergeßliche Bergtour machen möchten, kann ich die Region um den Ortler wirklich nur empfehlen. Dort bieten sich schier unzählige Möglichkeiten um an der Grenze zum ewigen Eis oder auch darüber hinaus tolle Bergtouren zu unternehmen. Wir sind auf jeden Fall sechs Tage lang auf unsere Kosten gekommen! |