Das Wetter für den Folgetag, an dem ich dann die Weißkugel besteigen wollte, war bis zum frühen Nachmittag als brauchbar angekündigt, so dass ich logischerweise sehr früh zur Tour startete. Leider war ich doch nicht ganz so schnell unterwegs wie erhofft, so dass mich einige Skitourengänger noch vor dem Gletscherbeginn unterhalb des Langtauferer Jochs eingeholt hatten, aber ich ging konstant mein Tempo und machte wo es nötig war ein paar Pausen. Ein kleines Frühstück gönnte ich mir auch noch. Der Gletscher hat zwar durchaus ein paar Spalten, aber die Spaltenabdeckung war in Ordnung und die ganz grossen Spalten konnte man ohne weiteres umgehen, so dass ich ohne Probleme am Weißkugeljoch an kam.
Dort beschloß ich dann den direkten Ostgrat zur Weißkugel zu wählen. Bei meiner Recherche hatte ich gelesen, dass dieser durchaus eine nette Alternative zum Normalweg sein sollte und im aperen Zustand max. II-III sein sollte. Mit den Steigeisen an den Füßen, dem Eispickel in der Hand und Schneeschuhen und Stöcken am Rucksack ging ich den Ostgrat also an. Durch den vielen Schnee konnte ich den Fels fast die ganze Zeit meiden, so dass ich nur sehr wenig zu klettern hatte, dafür aber eine steile Schneerinne raufspuren musste. Mit der nötigen Vorsicht kam ich aber gut voran und stand nach fast 6 h Aufstieg endlich am Gipfel. Überwältigend! Similaun, Fineilspitze, Dahmannspitze, Wildspitze - alle Gipfel, die ich im Vorjahr bestiegen hatte, lagen nun zum Greifen nah, und ich genoß jeden Augenblick nach dem strapaziösen Aufstieg. Natürlich war ich nicht alleine am Gipfel, aber über den Ostgrat kam nur noch ein Skitourengänger nach mir rauf, so dass es schon ein besonderes Erlebnis war.
Die Gipfelrast fiel wieder etwas länger aus, dann sah ich aber zu, dass ich wieder runter kam, denn das Wetter begann langsam zu kippen. Als Abstieg ging es zunächst über den ziemlich ausgesetzten und leicht vereisten Südgrat zum Skidepot, wo ein reges Treiben herrschte. Sicherheitshalber ließ ich die Steigeisen für diese exponierte Kraxelei an den Füßen. Ein Bergführer erklärte seinen Kunden gerade wie man Steigeisen anlegt und dass sie nun jeder für sich über den Südgrat zum Gipfelkreuz gehen würden. Nach wenigen Minuten waren sie aber auch schon wieder alle zurück und es wurde eine Seilschaft gebildet, da die Bedingungen am Grat nicht optimal waren und einige sich dann nicht mehr so wohl fühlten.
Ich hielt mich nach einer kleinen Vesperpause dann aber nicht weiter auf und sah nun zu, dass ich wieder runter kam, denn inzwischen begann es leicht zu schneinen und die Sicht wurde zunehmend schlechter. Der Abstieg ging auch mit den Schneeschuhen recht gut, wobei es am Hintereisjoch manchmal etwas rutschig war. Die Querung am nicht ganz spaltenfreien Gletscher hinüber zum Weißkugeljoch war weniger schön und an einer Stelle etwas heikel, da die Sicht rasch richtig schlecht wurde und ich mit den Schneeschuhen beim Queren öfter wegrutschte. Also investierte ich besser noch mal etwas Zeit ins Steigeisen anziehen als Gefahr zu laufen mit den Schneeschuhen wegzurutschen und dann am steilen Hang in eine der weiter unten wartenden offenen Gletscherspalten zu rutschen ... Ich war froh als ich endlich am Weißkugeljoch angekommen war und begann dann ohne Umschweife den Abstieg entlang meines Aufstiegsweges.
Die Spuren waren inzwischen kaum noch vorhanden aufgrund des nun konstanten Schneefalls und des auffrischenden Windes, und der gefürchtete Whiteout drohte, da man selbst mit Skibrille kaum noch die Konturen wenige Meter vor sich richtig ausmachen konnte ... Behutsam, aber dennoch zügig rutschte ich also immer weiter im halben Blindflug bergab und war froh um meinen Höhenmesser und jeden Meter, den er weniger anzeigte. Schließlich ging der Schnee in leichten Regen über, und der Nebel lichtete sich etwas, so dass ich kurz den freien Blick auf den vor mir liegenden Abstiegsweg hatte. An meinem Frühstücksplatz auf etwa 2900 m war das Schlimmste dann geschafft, der Gletscher lag hinter mir und der Rest des Weges war dann eher eine Pflichtübung.
Ein ohrenbetäubender Knall zu meiner Rechten ließ mich bei der Querung zur Hütte noch mal zusammenzucken. Es schien sich um einen großen Bergrutsch zu handeln, denn es polterte ziemlich heftig unweit von mir, doch ich konnte nichts davon sehen aufgrund des Nebels. Da ich die Spur recht weit weg vom Steilhang gewählt hatte, war ich jedoch ausser Gefahr. Wenig später sah ich durch eine Wolkenlücke dann, dass es sich um einen nicht gerade kleinen Abgang einer Lawine aus Schnee und Schutt gehandelt hatte. Gut, dass ich in sicherer Entfernung meine Spur gezogen hatte. Als ich schliesslich an der Hütte zurück war, habe ich mich gleich bei der netten Bedienung zurück gemeldet, die natürlich von meiner Unternehmung wusste und nun auch langsam mit meiner Rückkehr gerechnet hatte. Geschafft!
Im leichten Nieselregen ging es dann noch in Unterhose vor die Tür zum Waschen, dort hing ein Gartenschlauch, aus dem Schmelzwasser floss. Eiskalt geniessen :-) Wenig später war ich aber wieder im Warmen, erfreute mich am Abendessen und einem leckeren Weizenbier und ließ noch einmal den beeindruckenden Tourentag Revue passieren. Das war schon eine ganz spezielle Tour! |