Nach der tollen Skitour im Stubai stand auch schon Ostern vor der Tour, und ich hatte vier Tage frei. Natürlich hatte ich im Vorfeld schon überlegt, was ich Nettes unternehmen könnte, doch DIE Idee wollte mir noch nicht kommen. Doch als sich andeutete, dass das Wetter zumindest für zwei Tage passen sollte, beschloss ich spontan in die Ötztaler Alpen zu fahren. Nach meiner Schneeschuhtour im Vorjahr blieb noch der zweithöchste Gipfel dort "übrig": Die Weißkugel!

Die Eckdaten zur Tour hatte ich sowieso schon im Hinterkopf, nun blieb bloss die Frage, von welcher Seite man am besten solo und mit Schneeschuhen zum Gipfel kommen könnte. Die Wahl fiel dann auf den weniger häufig begangenen Aufstieg von Melag aus dem Langtauferer Tal heraus. Ein Schlafplatz in der Weißkugelhütte war zum Glück so kurzfristig noch zu bekommen, die Sachen waren schnell gepackt und nach einer sehr kurzen Nacht ging es gegen Mitternacht daheim gen Süden los.

Kurz nach der Dämmerung erreichte ich dann mein Ziel, packte noch ein bissl den Rucksack um und stiefelte schliesslich um kurz vor 07:00 los.



1. Tag: Melag - Melager Alm - Äußerer Bärenbartkogel - Weißkugelhütte
Stats: 10:45 h (06.55 - 17.50) - +1680/-1050 hm



Die allzu kurze Nacht sollte ich noch früher als gewünscht beim Aufstieg spüren, der mich ziemlich viel Energie kostete, doch das traumhafte Wetter entschädigte für alle Strapazen. Aufgrund der Schneelage an einigen Steilhängen plante ich dann spontan ein wenig um und entschied mich gegen den direkten Weg zur Weißkugelhütte, der mit Schneeschuhen ziemlich mühsam zu werden schien, da ich erst einen tiefen Taleinschnitt queren musste, nachdem ich mich kurz nach Melag entschieden hatte auf der rechten Talseite aufzusteigen. So brachte ich mich letztlich zwar um die Möglichkeit ab der Hütte mit leichtem Gepäck zur Halbtages-Tour zu starten und musste stattdessen die ganze Ausrüstung mit mir rumschleppen, doch die Rechnung ging auf und ich schaffte es zum fast 3500 m hohen Äußeren Bärenbartkogel. Den Gipfel hatte ich zwar ursprünglich gar nicht eingeplant, aber er bot sich dann doch an, da auch ein paar Skitourengänger dorthin unterwegs waren und er technisch nicht allzu schwierig sein sollte. Die ausgiebige Gipfelrast mit herrlichem Panorama zur Weißkugel und auch in die Ortlergruppe war dann wirklich genial, und ich vergaß fast schon die Zeit. Der Abstieg zur Hütte verlief dann insgesamt ganz gut, zwar war der Schnee stellenweise schon recht weich und ein paar steile Stellen forderten noch mal gute Konzentration, aber ich kam wohlbehalten an der Hütte an und habe dort in netter Gesellschaft noch einen geselligen Abend verbracht. Beim Einschlafen hatte ich nach der langen Tour und der kurzen Nacht zuvor auf jeden Fall keine Probleme.

Fotos zum 1. Tag in höherer Qualität









   






   

   




2. Tag: Weißkugelhütte - Weißkugeljoch - Ostgrat auf die Weißkugel - Südgrat von der Weißkugel - Hintereisjoch - Weißkugeljoch - Weißkugelhütte
Stats: 11:40 h (06.25 - 18.05) - +1420/-1420 hm



Das Wetter für den Folgetag, an dem ich dann die Weißkugel besteigen wollte, war bis zum frühen Nachmittag als brauchbar angekündigt, so dass ich logischerweise sehr früh zur Tour startete. Leider war ich doch nicht ganz so schnell unterwegs wie erhofft, so dass mich einige Skitourengänger noch vor dem Gletscherbeginn unterhalb des Langtauferer Jochs eingeholt hatten, aber ich ging konstant mein Tempo und machte wo es nötig war ein paar Pausen. Ein kleines Frühstück gönnte ich mir auch noch. Der Gletscher hat zwar durchaus ein paar Spalten, aber die Spaltenabdeckung war in Ordnung und die ganz grossen Spalten konnte man ohne weiteres umgehen, so dass ich ohne Probleme am Weißkugeljoch an kam.

Dort beschloß ich dann den direkten Ostgrat zur Weißkugel zu wählen. Bei meiner Recherche hatte ich gelesen, dass dieser durchaus eine nette Alternative zum Normalweg sein sollte und im aperen Zustand max. II-III sein sollte. Mit den Steigeisen an den Füßen, dem Eispickel in der Hand und Schneeschuhen und Stöcken am Rucksack ging ich den Ostgrat also an. Durch den vielen Schnee konnte ich den Fels fast die ganze Zeit meiden, so dass ich nur sehr wenig zu klettern hatte, dafür aber eine steile Schneerinne raufspuren musste. Mit der nötigen Vorsicht kam ich aber gut voran und stand nach fast 6 h Aufstieg endlich am Gipfel. Überwältigend! Similaun, Fineilspitze, Dahmannspitze, Wildspitze - alle Gipfel, die ich im Vorjahr bestiegen hatte, lagen nun zum Greifen nah, und ich genoß jeden Augenblick nach dem strapaziösen Aufstieg. Natürlich war ich nicht alleine am Gipfel, aber über den Ostgrat kam nur noch ein Skitourengänger nach mir rauf, so dass es schon ein besonderes Erlebnis war.

Die Gipfelrast fiel wieder etwas länger aus, dann sah ich aber zu, dass ich wieder runter kam, denn das Wetter begann langsam zu kippen. Als Abstieg ging es zunächst über den ziemlich ausgesetzten und leicht vereisten Südgrat zum Skidepot, wo ein reges Treiben herrschte. Sicherheitshalber ließ ich die Steigeisen für diese exponierte Kraxelei an den Füßen. Ein Bergführer erklärte seinen Kunden gerade wie man Steigeisen anlegt und dass sie nun jeder für sich über den Südgrat zum Gipfelkreuz gehen würden. Nach wenigen Minuten waren sie aber auch schon wieder alle zurück und es wurde eine Seilschaft gebildet, da die Bedingungen am Grat nicht optimal waren und einige sich dann nicht mehr so wohl fühlten.

Ich hielt mich nach einer kleinen Vesperpause dann aber nicht weiter auf und sah nun zu, dass ich wieder runter kam, denn inzwischen begann es leicht zu schneinen und die Sicht wurde zunehmend schlechter. Der Abstieg ging auch mit den Schneeschuhen recht gut, wobei es am Hintereisjoch manchmal etwas rutschig war. Die Querung am nicht ganz spaltenfreien Gletscher hinüber zum Weißkugeljoch war weniger schön und an einer Stelle etwas heikel, da die Sicht rasch richtig schlecht wurde und ich mit den Schneeschuhen beim Queren öfter wegrutschte. Also investierte ich besser noch mal etwas Zeit ins Steigeisen anziehen als Gefahr zu laufen mit den Schneeschuhen wegzurutschen und dann am steilen Hang in eine der weiter unten wartenden offenen Gletscherspalten zu rutschen ... Ich war froh als ich endlich am Weißkugeljoch angekommen war und begann dann ohne Umschweife den Abstieg entlang meines Aufstiegsweges.

Die Spuren waren inzwischen kaum noch vorhanden aufgrund des nun konstanten Schneefalls und des auffrischenden Windes, und der gefürchtete Whiteout drohte, da man selbst mit Skibrille kaum noch die Konturen wenige Meter vor sich richtig ausmachen konnte ... Behutsam, aber dennoch zügig rutschte ich also immer weiter im halben Blindflug bergab und war froh um meinen Höhenmesser und jeden Meter, den er weniger anzeigte. Schließlich ging der Schnee in leichten Regen über, und der Nebel lichtete sich etwas, so dass ich kurz den freien Blick auf den vor mir liegenden Abstiegsweg hatte. An meinem Frühstücksplatz auf etwa 2900 m war das Schlimmste dann geschafft, der Gletscher lag hinter mir und der Rest des Weges war dann eher eine Pflichtübung.

Ein ohrenbetäubender Knall zu meiner Rechten ließ mich bei der Querung zur Hütte noch mal zusammenzucken. Es schien sich um einen großen Bergrutsch zu handeln, denn es polterte ziemlich heftig unweit von mir, doch ich konnte nichts davon sehen aufgrund des Nebels. Da ich die Spur recht weit weg vom Steilhang gewählt hatte, war ich jedoch ausser Gefahr. Wenig später sah ich durch eine Wolkenlücke dann, dass es sich um einen nicht gerade kleinen Abgang einer Lawine aus Schnee und Schutt gehandelt hatte. Gut, dass ich in sicherer Entfernung meine Spur gezogen hatte. Als ich schliesslich an der Hütte zurück war, habe ich mich gleich bei der netten Bedienung zurück gemeldet, die natürlich von meiner Unternehmung wusste und nun auch langsam mit meiner Rückkehr gerechnet hatte. Geschafft!

Im leichten Nieselregen ging es dann noch in Unterhose vor die Tür zum Waschen, dort hing ein Gartenschlauch, aus dem Schmelzwasser floss. Eiskalt geniessen :-) Wenig später war ich aber wieder im Warmen, erfreute mich am Abendessen und einem leckeren Weizenbier und ließ noch einmal den beeindruckenden Tourentag Revue passieren. Das war schon eine ganz spezielle Tour!

Fotos zum 2. Tag in höherer Qualität

   

   

   






   



   






3. Tag: Weißkugelhütte - Melager Alm - Melag
Stats: 2:00 h (06.00 - 08.00) - +20/-650 hm

Am nächsten Morgen zog ich schon um 06:00 los. Ich hatte noch mal auf schönes Wetter spekuliert, aber es sollte nicht mehr sein. So rutschte ich also im Nebel zügig gen Melag zurück und hatte erst im unteren Drittel des Abstiegs noch mal ein paar Ausblicke zurück zur Weißkugel und die umliegenden Gipfel. Der tauende Schnee machte den Abstieg ziemlich mühsam, mit Schneeschuhen ging oft nichts mehr, weil es zu steil und zu rutschig war, ohne Schneeschuhe sank ich jedoch bis zur Hüfte ein und musste mich mühsam Schritt für Schritt weiterkämpfen ... Das hatte ich mir doch leichter vorgestellt.

Ich war aber auf jeden Fall froh, zu Beginn der Tour nicht diesen Hang für den Aufstieg gewählt zu haben, sondern den Äußeren Bärenbartkogel mitgenommen zu haben und dann von hinten zur Weißkugelhütte gekommen zu sein. Das war sicher die bessere Variante - vor allem bei dem herrlichen Wetter! Trotz des wenig erfreulichen Wetters beim Abstieg war ich nicht traurig, ich hatte zwei tolle Gipfel erklommen und bis auf den Abstieg von der Weißkugel auch gute Bedingungen gehabt. Somit hatte sich die lange Fahrt also wieder mal gelohnt gehabt und ich fuhr mit zahlreichen tollen Eindrücken im Gepäck wieder zurück nach Hause.

Fotos zum 3. Tag in höherer Qualität




Bilanz: etwa +3120 hm in 3 Tagen (14.04. - 16.04.2006) absolviert
Stats: pro Tag durchschnittlich etwa +1040 hm

Diese spontane Tour zur Weißkugel war etwas ganz Besonderes. Insgesamt ging es mit den Schneeschuhen auch recht gut, wobei Querungen generell etwas anstrengend und manchmal auch problematisch sind. In solchen Situationen muss man sich dann auch die nötige Zeit nehmen und Steigeisen verwenden. Die Gletscherpassagen waren aufgrund der Schneelage ganz gut zu meistern, jedoch musste man hier und da schon die Augen offen halten und das Gelände etwas genauer "lesen", um kritische Zonen zu umgehen.

Auf jeden Fall habe ich eine wirklich tolle Zeit im Schnee gehabt und mir mit der Besteigung der Weißkugel einen bergsteigerischen Traum erfüllt. Ich freue mich schon, wenn es wieder mal in die Ötztaler Alpen geht, die Überschreitung der Wildspitze bei gutem Wetter würde mich nämlich auch noch mal reizen ...